Bewertung: ****
Mit großen Vorschußlorbeeren startete am 26.1.06 der neue Film von Michael Haneke. Immerhin gabs dafür den Regiepreis in Cannes und mehrere europäische Filmpreise (u.a. für Film, Regie, Hauptrolle). Ist dieses einhellige Lob so berechtigt ?? Das kommt auf den Betrachter an !
Der Film beschäftigt sich mit einer dreiköpfigen gutbürgerlichen Familie, die anonyme Videos und Zeichnungen zugeschickt bekommt. Die Videos zeigen zumeist harmlose Ausschnitte der Straße und Häuserfront der dort lebenden Familie. Die Zeichnungen sind kindgerechte Strichmännchen Figuren, die blutrote Einsprengsel zeigen. Um nicht zuviel zu verraten muss nur noch angefügt werden, dass es bei der Aufdeckung dieser unheimlichen "Presente" etwas mit Auteuils (er spielt den Vater) Vergangenheit zu tuen hat. Verdächtigungen, Lügen und Schuldzuweisungen sind die Folge. Die Familienidylle erhällt Risse. Cache sozusagen...
Aus dieser mysteriösen Ausgangssituation schafft Ösi Kunstfilmer Haneke (Klaverspielerin, Funny Games) ein beklemmendes Familiendrama, dass tief in verdrängte gesellschaftliche (französische) Abgründe eintaucht. Unterstützt wird Haneke dabei von zwei überragend aufspielenden Hauptdarstellern: Daniel Auteuil und Juliette Binoche. Der Film macht es dem Zuschauer nicht leicht. Er ist sperrig, er legt Fährten, nur um sie gleich wieder aufzugeben... Ein Gedankenexperiment, das z.T. an Lynch in seiner Erklärungsverweigerung erinnert. Auch formal bleibt Haneke eigenständig bis an die Schmerzgrenze. Lange Einstellungen, die an Tarkowskij Zeiten erinnern fordern Aufmerksamkeit und schärfen den Zuschauerblick. Was ist gefilmte (wie der grandiose Einstieg), was ist reale Filmrealität. Das sind die Fragen dieses minimalistischen Thrillers. Diese Grenzen verschwimmen. Konsequent wird auf Filmmusik verzichtet, der Dialog fällt spärlich aus und am Ende bleibt alles offen. Der ruhige, kalte und bittere Film bietet in der Mitte einen brutalen Schock, der selbst härteste Splatter Freaks erschauern lässt. Was bleibt sind großartige Schauspielerleistungen, eine intellektuell anstrengende story, eine sehr individuelle bis selbstverliebte Regie und ein (un)gesundes Maß an Rätseln und Verrätselungen. Keine leichte Kost, aber sehenswert. Aber ob diese Reflektion über die Wahrnehmung von Wahrheit und Lüge wirklich in den Rang eines Meisterwerks zu heben ist zweifel ich doch stark an. Zu viel bleibt formale Spielerei, zu wenig ist konkret oder inhaltlich provokant. Nur Andeutungen bewirken leider am Ende oft das Gegenteil !